Swietelsky AG
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Maschinen-Giganten für den Gebirgstiefbau

17.06.2021, Lesezeit 4 Minuten
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Von der Beschaffung über die Ausrüstung bis hin zur Logistik: Wie sechzehn Cat-Großgeräte zur SWIETELSKY-Baustelle im Kühtai auf knapp 2000 Höhenmeter gelangen.

Gastbeitrag von Sonja Reimann

Sechzehn Cat-Schwergewichte machten sich aus Brasilien, China, Frankreich, Indonesien und den USA auf den Weg nach Österreich. Ihr Ziel: die Großbaustelle zur Erweiterung des bestehenden Kraftwerkes Kühtai in Tirol, mitten im Hochgebirge auf knapp zweitausend Höhenmetern und rund dreißig Kilometer westlich von Innsbruck gelegen. Dort bearbeitet ein Konsortium aus SWIETELSKY, SWIETELSKY-Tunnelbau sowie Jäger und Bodner, im Auftrag der TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG das Hauptbaulos. „Das Projekt Kühtai ist aufgrund der Dimension und geografischen Positionierung eine Herausforderung. Den Bau mit unseren Maschinen und Dienstleistungen zu unterstützen, macht uns stolz“, erklärt Stephan Bothen, Geschäftsführer von Zeppelin Österreich. Konkret geht es um zwei Cat-Kettenbagger 6015B und 352, sieben Cat-Muldenkipper 777G, je zwei Cat-Dozer D8T und D6XE sowie einen Cat-Motorgrader 140 AWD. Sie wurden beim Konzernkundenbereich der Zeppelin Baumaschinen GmbH, die zusammen mit der Zeppelin Österreich GmbH den Auftrag in Rekordhöhe an Land zog, geordert. „Das Projekt ist echtes Teamwork und zeichnet sich aus durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit. Damit wir einen Großauftrag in diesem Umfang gewinnen konnten, war eine enge Einbindung vieler Kollegen aus den Fachabteilungen wie etwa dem Produktmanagement, den Niederlassungen, dem Service sowie unserem Herstellerpartner Caterpillar erforderlich“, erklären Thomas Henn und Christoph Gil vonseiten des Zeppelin-Konzernkundenbereichs.

Komplexe internationale Logistik

Mit der reinen Beschaffung der Baumaschinen ist es bei diesem Auftrag nicht getan. „Wir haben ein Logistikkonzept erarbeitet und mussten über Spediteure die Anlieferung der Großgeräte ins Hochgebirge sicherstellen“, meint Thomas Henn, der den Konzernkunden-Innendienst leitet. Und da muss vieles bedacht werden. „Das Zeitfenster vom Auftragseingang Anfang Dezember bis zur Auslieferung im Frühjahr ist eng. Schließlich baut Caterpillar die Baumaschinen auf vier Kontinenten und dazu mussten die meisten verschifft werden“, so Christoph Gil, Verkaufsleiter Konzernkunden. Aus Indonesien kamen die beiden 140-Tonnen-Bagger Cat 6015B. Sie mussten den Suezkanal passieren, den der Containerfrachter Ever Given blockiert hatte. „Nicht auszudenken, wenn diese Route wochenlang gesperrt gewesen wäre. Zum Glück hat uns die Havarie nicht weiter tangiert“, meint dazu Christoph Gil. Den Seeweg nahmen auch die Muldenkipper – es sind die ersten Hundert-Tonnen-Skw von Cat, die in Österreich in Einsatz gehen. Um auch hier den Lieferweg zu beschleunigen, wurde eine Sonderlösung gewählt. So werden die Mulden im mexikanischen Reynosa gefertigt. Das Fahrgestell wird im amerikanischen Decatur produziert und dort in der Regel zusammengebaut. „Ausnahmsweise konnten die Fahrgestelle bis Baltimore beziehungsweise die Muldenkörper bis nach Brunswick per Tieflader transportiert und dort aufs Schiff in Richtung Bremerhaven verladen werden. Damit ist es uns gelungen, zwanzig Tage Seeweg abzukürzen und die Transportzeit zu beschleunigen“, erklärt Christoph Gil.

Enges Zeitfenster für Maschineneinsatz

Damit die Baumaschinen mit der Massenbewegung von Granitgestein loslegen können, erfordert das die passende Ausrüstung, um den Verschleiß zu minimieren und einem Maschinenausfall vorzubeugen. Stillstand kann bei diesem Vorhaben niemand gebrauchen. Denn das Zeitfenster, in dem die Geräte arbeiten können, erstreckt sich aufgrund der hochalpinen Witterung zwischen April und Oktober, bestenfalls November. Entsprechend ihrer Kompetenz in der Ausrüstung von Großgeräten und aufgrund ihrer geografischen Lage, zum einen bedingt durch die Nähe zu Bremerhaven und zum anderen durch die Autobahnnähe, übernahmen auf deutscher Seite die Niederlassungen Böblingen, Bremen und Ulm sowie die Niederlassungen Inzing und Linz in Österreich die Geräteausstattung, bevor die Geräte die letzte Etappe ihrer Reise antraten. Final für ihren Einsatz zusammengebaut wurden die Baumaschinen auf den drei Baustelleneinrichtungsflächen der Großbaustelle von acht Servicemonteuren von Zeppelin.

Tauglich für das Hochgebirge

Arbeiten auf einer Höhe von rund 2000 Metern über dem Meeresspiegel erfordern prinzipiell entsprechende Maßnahmen. „Im Vorfeld musste geklärt werden, ob die Motorentechnik im Hochgebirge ohne Leistungseinbußen funktioniert. Das konnten wir durch Referenzen wie Einsätze in den Anden in Südamerika belegen“, unterstreicht Christoph Gil. Was das Thema Kälte betraf, diente der Bergbau in Russland als Aushängeschild, wo Großgeräte wie ein 140-Tonnen-Bagger und noch deutlich größere Maschinen zugange sind. Alle Muldenkipper erhielten eine digitale LED-Gewichtsanzeige, damit die Baggerfahrer sehen, ob das maximal mögliche Ladevolumen auch ausgeschöpft wird. Materialströme sollen über das Flottenmanagement Vision Link ausgewertet werden. Damit die Datenübertragung via Mobilfunk auch im Hochgebirge störungsfrei funktioniert, hat Zeppelin Erweiterungen der Funkantennen an den Fahrerkabinen vorgenommen. Genau erfasst werden ebenso alle Betankungsvorgänge. Der Kraftstofftank eines Cat-Muldenkippers 777G fasst 1136 Liter Sprit. Mal sieben genommen, wären das bei den Skw an die 7952 Liter Sprit, die immer wieder nachgetankt werden müssten. „Das wären an die sieben Stunden bis zur Einsatzbereitschaft. Um Stillstandzeiten zu vermeiden, haben wir eine Schnellbetankung analog der Formel 1 empfohlen“, so Thomas Henn.

Flexibilität im Maschinenservice

Schnelle Reaktionszeiten sind auch für den Baumaschinenservice wichtig – die Niederlassung Inzing von Zeppelin Österreich ist dreißig Kilometer von der Großbaustelle entfernt. „Sicherlich werden Reparaturen an dem einen oder anderen Wochenende behoben werden müssen. Und es wird verstärkt der Zeitraum ab November für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten genutzt, wenn die Bauarbeiten witterungsbedingt ruhen“, ist Christoph Gil überzeugt. Ein Konsignationslager für Ersatz- und Verschleißteile sowie Schmierstoffe wird von Zeppelin ebenfalls auf der Baustelle eingerichtet, damit die Monteure sofort darauf zurückgreifen können. Zum Lieferumfang gehört auch die Ausrüstung der Großgeräte mit Bioöl. „Wir müssen vor der Auslieferung noch die meisten Geräte umölen – auch das musste von uns organisiert werden“, so Christoph Gil. Dass es sich bei dem Auftrag um ein Großprojekt handelt, zeigt auch die ungewöhnliche Menge an Bedienungsanleitungen, Wartungs- und Ersatzteilhandbüchern mit einem Gewicht von insgesamt 150 Kilogramm.

Der Abschluss der Arbeiten für das Kraftwerk ist für 2026 geplant. Danach kann Zeppelin die Großgeräte wieder zurücknehmen – „auch das ist eine weitere Maßnahme, die dem Kunden Sicherheit gibt“, stellt Thomas Henn dar. Dann könnten Bagger, Muldenkipper, Dozer und Grader nach knapp 9000 kalkulierten Betriebsstunden als Gebrauchtmaschinen ein zweites Maschinenleben starten.