Swietelsky AG
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Der Grenzgänger

25.03.2022, Lesezeit 9 Minuten
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In der Tschechischen Republik verließ kürzlich der letzte österreichische Manager das dortige SWIETELSKY-Tochterunternehmen. Wir blicken mit Walter Spitaler auf sein Lebenswerk, das sich mittlerweile über das ganze nördliche Nachbarland erstreckt.

Walter Spitaler ist vor 64 Jahren im niederösterreichischen Waldviertel aufgewachsen und gerade für die dort lebenden Menschen dies- und jenseits der Staatsgrenze war die Zeit der Trennung durch Stacheldraht eine lebenslang prägende. Vielleicht hatte das auch eine Rolle gespielt, als Spitaler im Jahr 2000, etwa zehn Jahre nach der Wende, mit Freude und Motivation nach Budweis ging, um der dortigen SWIETELSKY-Niederlassung Schub zu verleihen. Die Idee, das österreichische Bauunternehmen in den ehemaligen Ostblock hinein zu entwickeln, hatte etwas Faszinierendes. Zwei Jahrzehnte später ist Spitalers Mission erfüllt und SWIETELSKY zu einem der fünf Big Player am tschechischen Markt avanciert. Besonders stolz ist Walter Spitaler aber nicht bloß auf das Wachstum, sondern darauf, dass dieses Wachstum auf eine Weise zustande gekommen ist, die der Philosophie und Tradition des Unternehmens gerecht blieb. Immer ein Schritt nach dem anderen, behutsam und ohne überbordende Risiken. Keine Experimente, SWIETELSKY legte auch in der Tschechischen Republik den Fokus auf das, was es immer schon am besten konnte: nachhaltige Qualität, langlebige Kundenbeziehungen und solide Profitabilität sicherstellen. Alles andere kommt von allein, hüben wie drüben.

Als Walter Spitaler im vergangenen Jahr seine Karriere beendete, konnte er auf mehr als vierzig Jahre in der Bauwirtschaft zurückblicken. Begonnen hatte alles im Oktober 1978 in einer dazumal kleinen und mittlerweile stark gewachsenen Tiefbauniederlassung im niederösterreichischen Zwettl. Eine Handvoll Profis und ein an das Büro angeschlossener Geräteschuppen waren damals sein bescheidenes Arbeitsumfeld. Zuletzt waren im tschechischen Tochterunternehmen, der Swietelsky stavebni s.r.o., rund 1600 Mitarbeiter beschäftigt, ihn selbst änderte das allerdings nicht. Wer ihn kennt, schätzt seine Bescheidenheit, Verbindlichkeit und Loyalität dem Unternehmen gegenüber. Spitaler ist merklich ein ausgleichender Charakter, der – wie er selbst im Interview erwähnt – „in Linz seine tschechischen Kollegen in Schutz nahm und in Budweis um Verständnis für die Forderungen der österreichischen Zentrale warb“. Kein einfaches Unterfangen, weil die Abläufe und die Mentalität der Menschen sich doch erheblich unterschieden.

Ein Grenzgänger war er keineswegs im sprichwörtlichen, sondern nur im wörtlichen Sinne. Spitalers Familie und er selbst blieben dem österreichischen Hauptwohnsitz treu, wenngleich Südböhmen seine zweite Heimat wurde und er häufig pendelte. Wir haben Walter Spitaler in Budweis zu einem Interview getroffen und dabei viel über ihn selbst, sein interessantes Lebenswerk und sein Gastland gelernt. Nach all den mitunter auch schwierigen Herausforderungen, die er dort zu meistern hatte, bereut er nichts, sondern wirkt glücklich über das Erreichte und überaus stolz auf seine tschechischen Kolleginnen und Kollegen.

Eher genial improvisiert als perfekt organisiert"

Walter Spitaler über seine zwanzig Berufsjahre als Geschäftsführer von SWIETELSKY in der Tschechischen Republik

Herr Spitaler, Sie haben eine lange Karriere hinter sich, die 1978 im Waldviertel als Bautechniker begann. Was hat sich am Bau seither verändert?

Sehr viel, ich weiß kaum, wo ich anfangen soll. Wir haben in Zwettl mit einem kleinen Baubüro und einer daran angeschlossenen Gerätekammer angefangen. Mit Kunden und Geschäftspartnern haben wir damals sehr viel mündlich kommuniziert und vereinbart, was interessanterweise auch von allen Seiten eingehalten wurde. Die Handschlagqualität und das gegenseitige Vertrauen waren gerade am Bau sehr ausgeprägt. Mittlerweile ist enorm viel mechanisiert bzw. von Technik unterstützt, was damals von Hand gemacht wurde. Die Qualität wurde über die Zeit entscheidend verbessert und die Abläufe enorm beschleunigt. Heute ist die Arbeit eines Bauleiters mit vielen Zusatzaufgaben belastet, für die man unter anderem IT-Kenntnisse oder rechtliche Kenntnisse benötigt. Zahlreiche Vorschriften, beispielsweise hinsichtlich Arbeitsschutz, Umweltschutz und Datenschutz, kamen hinzu. Der Wettbewerb ist heute wesentlich intensiver und damit auch der kaufmännische Druck. Geeignetes Personal zu finden, war früher einfacher als derzeit. Wir hatten auch fast keine Fluktuation.

Bereits 1992 hat sich SWIETELSKY in die Tschechische Republik gewagt, mit welchen ursprünglichen Absichten?

Natürlich haben wir wie alle österreichischen Unternehmen das große Potenzial gewittert. Im Gegensatz zu anderen ging man bei SWIETELSKY aber wesentlich umsichtiger und zurückhaltender vor. Bis 1998 versuchte man sein Glück in Prag und stellte daraufhin fest, dass der südböhmische Markt jedenfalls im Tiefbau besser in unsere Geschäftspolitik passte. SWIETELSKY ging es nicht darum, spektakuläre Großprojekte mit hohem Risiko zu realisieren, sondern im sogenannten Flächengeschäft mit den Kommunen und Regionen Fuß zu fassen. Wir waren uns der Risiken bewusster als andere, die groß eingestiegen waren und ihre Lehren oft teuer bezahlt haben.

Im Jahr 2000 heuerte man Sie für genau dieses Tiefbaugeschäft an und Ihr Arbeitsort wurde die Niederlassung in Budweis. Warum gerade Sie?

Mein Vorgänger Erich Brunnhofer war leider verstorben. Wir kannten uns aus Zwettl und offenbar traute man mir die Aufgabe seitens der Konzerngeschäftsführung zu. Diese Herausforderung habe ich mit großer Freude angenommen.

Ein Österreicher als Ansprechpartner für tschechische Kunden? Wie darf man sich das vorstellen?

Als Österreicher direkt bei tschechischen Kunden erfolgreich Aufträge zu akquirieren ist schwer möglich und war auch nicht unser Ziel. 2001 kam Petr Cizek, der gut vernetzt war und überregionale Marktkenntnisse hatte, er übernahm dann das operative Geschäft im Tiefbau. Jiri Kozel führte schon seit 1999 den Hochbaubereich. Meine Verantwortung lag dann nicht mehr im operativen Tagesgeschäft. Wesentliche Fragen und Probleme im operativen wie auch im Zentralbereich wurden gemeinsam mit beiden Kollegen diskutiert und entschieden. Wichtig waren mir unsere Organisationsstruktur, größere Angebote und Aufträge sowie Investitionen, besonders die in Asphaltmischanlagen. Ich setzte mich sehr dafür ein, die in unserem Konzern erfolgreich erprobte Firmenphilosophie, unsere Firmenkultur und unsere Abläufe den tschechischen Kollegen zu vermitteln.

Können Sie uns das anhand eines Beispiels schildern?

In Vorwendezeiten wurde eine Baustelle großteils nicht „just in time“ beliefert, sondern zuerst wurde über Wochen umfangreich Material angeliefert und erst danach hat man mit den Bauarbeiten angefangen. Das hört sich für uns heute sonderbar an, war aber tatsächlich vielerorts Realität. Die in den 1970er- und 1980er-Jahren ausgebildeten Bautechniker fühlten sich für kaufmännische Themen schlicht nicht zuständig. Sie waren sehr gut ausgebildet und auf ihrem technischen Gebiet kompetent, folgten aber hauptsächlich bautechnischen Ansprüchen.

Wie gelang die Expansion auf mittlerweile rund 22 Tiefbaustandorte in der Tschechischen Republik?

Unsere Methoden und Abläufe wurden besser, der kaufmännische Erfolg stellte sich ein und der Mut in der Linzer Konzernzentrale wuchs parallel dazu. Und so durften wir investieren und expandieren. Die hohe Qualität unserer Leistung wurde von unseren zumeist öffentlichen Auftraggebern sehr geschätzt und so entwickelten sich immer langfristigere Geschäftsbeziehungen. Natürlich hat sich auch das Land als Gesamtes hervorragend entwickelt. Die Tschechische Republik verfügt über eine große Industriegeschichte und hervorragende Fachkräfte mit zielstrebiger Arbeitsmentalität. Das kam uns zugute. Schließlich bewährten sich auch in der Tschechischen Republik die Eckpfeiler unserer SWIETELSKY-Philosophie: dezentrale Verantwortung, selbstständig agierende Profit Center, das Unternehmertum im Unternehmen und das Prinzip „Ertrag vor Umsatz“. Dieses Prinzip hat wohl auch dazu geführt, dass wir am Weg die ein oder andere Chance liegen gelassen haben. Große Fehler, die einem wirtschaftlich das Genick brechen können, wurden dadurch aber jedenfalls vermieden.

Wodurch unterscheidet sich der tschechische Markt heute vom österreichischen?

Er ist überaus international. Es gibt hier große französische, schwedische, deutsche, österreichische und mittlerweile auch tschechische Mitbewerber. Was den Tiefbau betrifft, fließt sehr viel Geld in die höherrangige Infrastruktur, also Autobahnen und Schnellstraßen. Bei SWIETELSKY fühlten wir uns während meiner aktiven Zeit eher für das Geschäft mit den Gemeinden, Städten und Kreisen, niederrangigere Straßen und Brücken, Kanal- und Wasserbau sowie örtliche Infrastruktur zuständig. Da sickern die Investitionen vielleicht etwas langsamer von der Hauptstadt in die Regionen, die Budgets der Gemeinden sind schwankend, aber hier können wir uns gut profilieren und langfristig punkten.

Wie ist SWIETELSKY im tschechischen Hochbau positioniert?

Schon von Beginn an haben wir insbesondere im Generalunternehmerbau viele ausländische – vorwiegend österreichische und deutsche – Unternehmen bei ihrer Expansion in die Tschechische Republik baulich begleiten dürfen. Da waren viele Industriebauten und Geschäftsgebäude, die wir errichtet haben. Man vertraute SWIETELSKY, weil mit unserem Geschäftsführer Jiri Kozel ein wichtiger Ansprechpartner als ortskundiger Tscheche hervorragend Deutsch sprach und das Unternehmen selbst aus Österreich kam. Das war eine sehr erfolgreiche Kombination. Heute ist das Unternehmen auch im Hochbau immer breiter aufgestellt. Der tschechische Hochbaumarkt funktioniert nach etwas anderen Spielregeln wie der Tiefbau. Unsere Kunden sind dort vorwiegend private Unternehmen.

Wie schätzen Sie den kulturellen Unterschied zwischen Österreich und der Tschechischen Republik heute ein?

Die Tschechen waren zur Zeit der Wende eher genial improvisiert als perfekt organisiert. Viele Auslandsengagements von deutschen Unternehmen sind daran gescheitert, dass die Ausländer ihre Strukturen und definierten Abläufe eins zu eins auf den fremden Markt übertragen wollten. Das ist einerseits respektlos und kann andererseits auch niemals funktionieren. Tschechen sind sehr gebildet, selbstbewusst und zielstrebig. Man muss sich mit ihnen verständigen im besten Sinne dieses Wortes. Sonst sagen sie nicht nein, sondern „machen nein“. Wo es früher im Vergleich Defizite gab, hat man heute schon stark aufgeholt. Die junge Generation ist sehr erfolgshungrig.

Wie sind Sie persönlich mit der tschechischen Sprache zurechtgekommen?

Ich habe Kurse genommen und konnte mich nach intensivem Lernen in meinen ersten drei Jahren, in denen ich noch von einem Dolmetscher unterstützt wurde, dann einigermaßen verständigen. Einfach war das nicht und das Lernen ging auch danach noch weiter. Heute sprechen die meisten Jungen Deutsch oder Englisch. Wenn ich heute in einem Prager Hotel auf Tschechisch einchecken möchte, erwidert mir der Rezeptionist auf Englisch (lacht). Wer hier langfristig arbeiten will, sollte die Sprache lernen und sich natürlich auch für die reiche Kultur interessieren.

Trinken Sie Budweiser oder Zwettler Bier?

Ich hatte früher kein Bier getrunken und erst in der Tschechischen Republik damit angefangen, also natürlich Budweiser. Aber vielleicht steige ich nun im Ruhestand auf Zwettler Bier um. Ich freue mich jedenfalls auch wieder auf die Zeit zu Hause in Österreich.

Vielen Dank für das Gespräch!

 Mag. Clemens Kukacka

Redaktion

Mag. Clemens Kukacka

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