Swietelsky AG
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„Resultat einer jahrzehntelangen Innovationskette“

23.02.2021, Lesezeit 7 Minuten
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Im Gespräch schildert Plasser & Theurer-CEO Johannes Max-Theurer die Entwicklungsgeschichte des revolutionären Maschinenkonzeptes RUS 1000 S, die Zukunftschancen des Systems „Bahn“ und seine Herausforderungen am Weltmarkt.

Bis vor kurzem war sie einzigartig: die RU 800 S. SWIETELSKY revolutionierte mit ihr 2006 den Gleisbau. Mit der Großmaschine konnte man in nur einer Gleissperre die zwei komplexen Verfahren Gleisumbau und Schotterbettreinigung zusammenlegen. Sie arbeitet seit vierzehn Jahren in Europa mit großem Erfolg und hoher Zuverlässigkeit. Jetzt geht mit der RUS 1000 S eine Weiterentwicklung des Erfolgskonzeptes (System Plasser & Theurer / SWIETELSKY) an den Start. Die von Grund auf modernisierte Großmaschine bietet noch mehr Arbeitsleistung, ohne das Nebengleis zu beanspruchen. Sie hinterlässt ein mit sechzig Stundenkilometern befahrbares neues Gleis.

2020 sind sowohl Ihr Firmengründer Dr. Josef Theurer als auch der langjährige SWIETELSKY Miteigentümer und Generaldirektor Hellmuth Brustmann verstorben. Sie galten als Pioniere des modernen Bahnbaus. Nun gelangte mit der RUS 1000 S eine neue Großmaschine aus einer Entwicklungspartnerschaft der beiden Unternehmen auf den Markt. Der Beginn einer neuen Ära?

Beide sind zwei große Wegbereiter dafür, dass heute der Bahnbau wirtschaftlich, schnell und sicher, vor allem aber mit enormer Qualität durch Großmaschinen durchgeführt wird. Herr Brustmann hat sich dadurch ausgezeichnet, seine Ideen in die Praxis umzusetzen, gemeinsam mit den besten Leuten, die seine Vision teilten und hinter denen er immer konsequent stand. Dabei konnte er auch die Risiken neuer Ideen einschätzen und hatte die Ausdauer, die damit einhergehenden Herausforderungen zu meistern. Meinem Großvater war er in all dem durchaus ähnlich. Die RUS 1000 S ist daher das Resultat einer jahrzehntelangen Innovationskette, das daraus und mithilfe guter Mitarbeiter auf beiden Seiten entstehen konnte. Es ist eines der herausforderndsten Maschinenkonzepte, das wir jemals realisieren durften.

Auch die ÖBB waren ein Akteur dieser Entwicklungspartnerschaft. Welche Rolle spielten sie dabei?

Die ÖBB sind, was das technologische Management der Infrastruktur angeht, weltweit eine Vorzeigebahn. Sie haben zu Recht das Interesse, die Trassennutzung zu optimieren, indem sie die Sperrpausen minimieren, und sind in der Lage, dafür neue innovative Wege zu gehen. Es braucht daher drei Partner: einen Infrastrukturbetreiber wie die ÖBB, einen Bauunternehmer wie SWIETELSKY, der mit langfristigem visionären Bekenntnis in solche Technologien investiert, und schließlich uns als Plasser & Theurer, die wir diese komplexe Maschine konstruieren und bauen.

Sehen Sie die RUS 1000 S auch für den internationalen Einsatz optimal gewappnet?

Ich bin überzeugt, dass die Technologie europaweit einen enormen Vorteil bringen wird. Das gilt für die Infrastrukturbetreiber wie auch für den Bauunternehmer. Die Kombination von unterschiedlichen Arbeitstechnologien in einer Maschine ist sehr effizient. Es geht darum, Kosten zu reduzieren, ohne bei der Qualität oder bei der Sicherheit des Bahnbetriebes zu sparen. Die RU 800 S hat in vierzehn Jahren mehr als 2000 Kilometer in ganz Europa umgearbeitet. Die neue Generation RUS 1000 S ist in jeder Hinsicht noch deutlich leistungsfähiger.

Wie komplex ist die Bedienung der Großmaschine, um maximale Effizienz zu erreichen?

Tatsächlich ist das Fachverständnis der Mannschaften, die auf den Maschinen arbeiten, essenziell für den Erfolg der Investition. SWIETELSKY hat dafür optimale Voraussetzungen und verfügt mit über die bestqualifizierten Mitarbeiter. Das ist eine Fabrik auf Rädern, eine unglaubliche logistische Leistung, alles so zu organisieren, dass die Maschine optimal eingesetzt und zu Höchstleistungen gebracht wird. Wir exportieren in 109 Länder, unsere komplexesten Maschinen können nicht von allen Kunden betrieben werden. Aber wir liefern natürlich auch eine breite Palette vergleichsweise einfacherer Systeme und unterhalten weltweit Schulungszentren, um die Gleisarbeiter auszubilden und ihnen die Maschinen-, Steuerungs- und Wartungstechnik beizubringen. In manchen Schwellenländern wie beispielsweise in Südafrika betreiben wir selbst mit eigenem Personal unsere Großmaschinen, allerdings weniger komplexe als die RUS 1000 S.

Wie sehen Sie den wirtschaftlichen Ausblick der Branche?

Durchaus positiv. Trotz Corona erwarten wir ein gewisses Wachstum. In zwei bis drei Jahren wird sich die Konjunkturdelle wieder ausgleichen und es wird positiv weitergehen. Große Chancen sehe ich im Frachtverkehr. Ich glaube an die Kapazität des Systems „Bahn“, auch im Hochgeschwindigkeitsverkehr. In Japan werden zwischen Tokio und Osaka 550 Kilometer in unter zweieinhalb Stunden bewältigt, alles auf Schottergleis. Die kumulierte Jahresverspätung ist im Minutenbereich. Das ist eine unglaubliche Leistungsfähigkeit und wettbewerbsfähig mit dem Flugzeug. Ab 800 bis 1000 Kilometer wird die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreicht. In Europa haben wir hier jedenfalls noch Ausbaupotenzial.

Kommen wir zu ökologischen Aspekten. Was halten Sie von elektrifizierten LKW-Strecken?

Hinsichtlich der sehr ambitionierten Klimaziele muss gesagt werden, dass die Bahn um den Faktor 15 klimaverträglicher als der LKW ist. Elektrifizierte LKW-Strecken braucht es nicht zwingend, die Bahn hätte das Problem schon gelöst. In der Interoperabilität, also in der Schaffung von internationalen Bahnkorridoren, liegen auch aufgrund vielfältiger nationaler Gesetzgebungen nach wie vor Herausforderungen vor uns.

Ihr Großvater galt als legendärer Erfinder. Wie steht’s heute um die Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens?

In der Entwicklung von Plasser & Theurer steckt eine jahrzehntelange Innovationsgeschichte, ausgehend von dem Anspruch, schwere händische Arbeit zu mechanisieren. Im Laufe der Zeit haben wir rund 10 000 Patente gesammelt, von denen nach wie vor 2000 Gültigkeit haben. Maßgeblich bestimmende Technologien waren Hydraulik, Elektronik, Mechanik und heute ist es die Digitalisierung. Wir befassen uns mit Grundlagenforschung im Bahnbau und mit der Nutzung der Digitalisierung für das System „Eisenbahninfrastruktur“. Seit 2016 haben wir fünfzehn wissenschaftliche Arbeiten in Auftrag gegeben und lassen diese Forschung in Weiterentwicklungen einfließen. Seit 2015 haben wir mehr als siebzig Patente in diesem Bereich angemeldet und sind damit kontinuierlich unter den Top-10-Unternehmen, was neue Patente betrifft. In unserem firmeninternen Spin-off, das sich mit Digitalisierungsthemen beschäftigt, arbeiten bereits neunzig Mitarbeiter. Das dient dazu, die Arbeitsweise der Maschinen effizienter zu gestalten, sie zu monitoren, daraus Rückschlüsse zu ziehen und Verbesserungen einzuleiten, beispielsweise durch Machine Learning oder Artificial Intelligence. Am Ende geht’s immer darum, Verfügbarkeit und Einsetzbarkeit der Maschinen weiter zu optimieren. Die Potenziale darin sind enorm. Diesen Fortschritt wollen wir vorantreiben.

Gehen Sie davon aus, von der geplanten Digitaluniversität in Oberösterreich zu profitieren?

Definitiv. Wir begrüßen diese Initiative. Oberösterreich ist grundsätzlich für Maschinenbau ein guter Standort. Die Politik ist aber auch am Zug, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Ich denke an bestimmte Schnellfahrstrecken wie Budapest–Belgrad oder an Bauprojekte am Balkan, die EU-finanziert sind, aber an staatliche chinesische Baukonzerne vergeben wurden. Da stellt man sich schon die Frage, ob wir nicht mehr darauf achten sollten, dass die Unternehmen, die in Europa Steuern bezahlen, im Wettbewerb zumindest nicht benachteiligt werden. Wir haben in Österreich pro Kopf den höchsten Anteil an Eisenbahnindustrie. Das darf politisch nicht vergessen werden. Helfen könnte die EU auch mit dem Green Deal.

Freuen Sie sich auf einen bevorstehenden Investitionsregen?

Wir begrüßen das, weil wesentliche Impulse gesetzt werden, um das System „Bahn“ voranzutreiben, und weil der Beitrag, den die Bahn zur Klimawende leisten kann, ausgeschöpft wird. Wir hoffen auch, dass dadurch vielleicht innovative klimaverträgliche Systeme – betrieben durch Strom aus der Oberleitung oder Akku – durch erhöhte Förderung wettbewerbsfähiger werden, denn auch hier sind wir führend, nämlich in der Herstellung von umweltschonenden und auch geräuschärmeren Systemen.

Welche internationalen Märkte oder Geschäftsfelder sind für Sie von besonderer strategischer Bedeutung?

Wir sind sehr früh in den Export in Übersee gegangen, weil wir uns in einer Nische befinden. Mit unseren internationalen Niederlassungen passen wir uns an die jeweiligen Märkte an. Insgesamt sind die Regionen Südostasien, Indien und USA besonders wichtig. In China sehe ich in der Eisenbahninfrastruktur aktuell eine gewisse Sättigung, in Europa ein moderates Wachstum.

… und in Großbritannien angesichts des Brexits?

Dort haben wir rechtzeitig vor dem Stichtag noch zahlreiche Maschinen eingeführt, auch für die dortige Niederlassung von SWIETELSKY. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt, und haben durch den Brexit jedenfalls kurzfristig keine Probleme.

DIE HIGHLIGHTS DER RUS 1000 S:
  • zehn Schwellen pro Minute
  • lagenweise Verdichtung des Schotters mit zwei Phasen Einschotterung
  • erweiterter Einsatzbereich: kompakt im G1-Profil, geringe Achslast von 22,5 t (D4)
  • Vorbeiarbeiten an Engstellen (z. B. Bahnsteige)
  • geringe Schienenspannung
  • geringer Arbeitsradius von nur 250 Metern realisierbar
  • 25 % mehr Leistung durch neue Siebkonstruktion
  • nur drei Meter Baulücke
 Mag. Clemens Kukacka

Redaktion

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